Schweizers Schweiz (des)

série: Histoire Suisse
éditeur: Suhrkampf
auteur: Bichsel Peter
classement: biblio2A
année: 2013
format: broché
état: TBE/N
valeur: 6 €
critère: *
remarques: 1997, Auflage 2013 (deutsche Sprache)

1/ des Schweizers Schweiz
für den Schweizer gibt es das Inland und das Ausland
die Schweiz ist Synonym für Schönheit,
Ordnung, Sauberkeit und Unabhängigkeit
der Schweizer Pass ist ein Pass-Partout

die Schweiz ist ein bürgerliches Land
der Schweizer ist reaktionär aber nicht revolutionär
während es letzten Krieges war die Schweiz ein Paradies
Unanständigkeit ist eine des Schweizers grösste Schwäche

1291 hat die Schweiz die Unabhängigkeit errungen,
aber erst 1848 hat die Schweiz aufgefangen zu existieren

die Armee ist unser Volksgut, unsere Folklore
die Rekrutenschule wird zu einem Männlichkeitsritual
wir sprechen Schweizerdeutsch (Mundart)
und reden Schriftdeutsch (die Sprache Schiller)

der Schweizer liebt seine Heimat
Nonkonformisten sind keine Schweizer, so sind Dienstverweigerer
und solche, die ungern arbeiten
Blutadel wurde durch Geldadel ersetzt

Armut ist eine Schande, aber Reichtum wird diskret verdeckt
von seinem Geld spricht man nicht
für den Schweizer ist jede Veränderung eine Gefahr
die Igelstellung ist zum Sinnbild geworden

2/ Sitzen als Pflicht
das Bundeshaus in Bern wo die Parlamentarier
wie die Mitglieder eines Jahrgängervereins aussehen
der Nationalratsaal (bis 1997 konnte man
bis zum Beginn der Verhandlungen noch rauchen!)
in diesem Rat werden Formeln gebraucht
und Redner und Zuhörer haben sich an diesen Formeln gewöhnt
hier lacht man gemeinsam!

die Ergebnisse der Kommissionen werden präsentiert
die Kommissionen vertreten Interessen, sie vertreten Verbände
hier werden keine Kompromisse vorgeschlagen,
hier wird bereits alles als Kompromiss vorgetragen
hier gibt es keine Diskussionen, hier sitzt man nur noch
das Sitzen wird zum Pflicht, als Präsenzleistung
>> S.35 Thema einer Anfrage:
der Bierverkauf durch Gletscherpiloten in den Hochalpen

im übrigen sind fast alle Geschäfte, Finanzgeschäfte
es geht hauptsächlich um Zahlen und Kosten
die Ergebnisse der Abstimmungen sind meistens zum vornherein bekannt

unser Parlament ist eine Verwaltung, eine verwaltete Demokratie

3/ dem Bestehenden Schwierigkeiten machen
>> S. 45 die Position der Kunst beim Staat
die Anerkennung der Bibel zum Beispiel war
eine der geschicktesten wirtschaftlichen Massnahmen
der Besitzenden (im Namen Gottes)
>> S. 46/47 das Beispiel von Bertold Brecht mit dem TUI-Roman

n.b. ein Tui ist ein Intellektueller, der seine Fähigkeiten
und Meinungen als Ware auf dem Markt verkauft
oder er nutzt sie, um die herrschende Ideologie
einer unterdrückenden Gesellschaft zu unterstützen,
der deutsche modernistische Theaterpraktiker Bertolt Brecht erfand den Begriff
und benutzte es in einer Reihe von kritischen
und kreativen Projekten, einschließlich des Materials,
das er in der Mitte der 1930er Jahre
für seine sogenannte Tui-Roman-Satire auf die Intellektuellen
im deutschen entwickelten Kaiserreich und Weimarer Republik
mit seiner epischen Komödie aus den frühen 1950er Jahren,
Turandot oder der Weißwäscher Kongress erfand
das Wort ist eine Wortschöpfung,
die sich aus der Abkürzung eines Wortes-Treffer
zu "geistigen" ("Tellekt-Ual-In") zusammen bildet

Studentenunruhen sind eine Modeerscheinung
die Regierungsräte sind praktische Politiker
die Veränderungen sind nicht beliebt aber
nur die Veränderungen können bestehendes Leben garantieren
und wenn der Abstand zu gross wird, hilft nur die Revolution,
die zusammenschlägt und neu beginnt
>> S. 49 wir brauchen politische Schulen, die kein anderes ZIel verfolgen
als aus Menschen eine Gesellschaft zu bilden
unsere Schulen lehren offensichtlich nur buchstabieren, lesen lehren sie nicht

Staatsfeinde sind zum Beispiel auch all jene, die behaupten,
Politik sei ein schmutziges Geschäft

Aufklärung ist nicht begehrt
unsere Demokratie ist ein Museumstück

4/ der Virus Reichtum
wir leben in einem reichen Land, resp. ein Land von Reichen
die Armen, die Arbeitslosen, sie sind nur faule Leute
wir sind zwar nicht alle reich, aber wir denken alle bereits wie die Reichen
und die Armen wissen nichts davon, wie schwer es die Reichen haben

>> S. 60 wir halten jeden Flüchtling für einen Betrüger
der nichts anderes will als unseren Reichtum
wir sind mit der Verteidigung unseres Reichtums beschäftigt
aber um reich zu sein, brauchen wir die Armen!
schöne Autos sind zum Beispiel Symbole des Reichtums
>> S. 67 1997 ist Aubert Aussenminister

die Wirtschaft profitiert davon, dass man weiss,
dass die Schweiz einen guten Ruf und Image hat

die Gründung des Roten Kreuzes erfolgte als die Schweiz noch ein armes Land
und ein typisches Auswanderungsland war
seinerzeit ging es nicht darum, unseren Reichtum mit anderen zu teilen,
sondern mit noch Aermeren solidarisch zu sein
eine arme Schweiz konnte das, eine reiche könnte das nicht mehr

>> S. 72 die Schweiz und die Tamilen (1997)
Schweizer Fremdenhass?

Lob für die Gewerkschaften, Solidarität = Prosperität
wir haben 50 Jahre Frieden gehabt,
die Gewerkschaften haben in unserem reichen Land
weniger schwer sich durchzusetzen
dennoch sollten sie die kämpferischen
und solidarischen Kräfte nicht verlernen

wir sind in einem reichen Land eingesperrt
(das war 1997, noch keine bilaterale Verträge)

der Boden ist teuer, demzufolge sind die Wohnungen
für junge Leute schwer erschwinglich
und anständige Altwohnungen kaum mehr vorhanden

5/ die Armee ist tödlich
die Armeen sind zwar mehr oder weniger alle gleich
>> S. 85 die Geschichten mit den Fusilieren Ast und Franz

wir haben eine Friedensarmee,
die Armee ist eine heilige Kuh
Krieg ja, um Gottes willen ja, aber nicht hier heisst die Parole
wir Schweizer leben dauernd im Krieg, er ist nur abwesend

6/ Notizen zur Misere (zur Demokratie)
>> S. 95 die Demokratie ist die beste aller schlechten Staatsformen (Churchill)
>> S. 98 Gedanken über die mangelnde Stimmbeteiligung
= mangelnde Liebe zum Staat

die Igelstellung - eingerollt und die Stacheln nach aussen -
ist zum Sinnbild unserer Unabhängigkeit geworden,
aber auch ein Igel muss sich zur Nahrungsaufnahme entrollen!

>> ein satirisches und sozialkritisches Buch, die Bibel der Schweiz (1997)
mit einigen interessanten Punkten zur Entgegennahme und Diskussion
couvertures:
Copyright 2008 - 2024 G. Rudolf